Neubau der Grundschule Stakerseite – Ein Drama in mehreren Akten

Ende Oktober 2022 informierte die Verwaltung den Stadtrat, dass sich die aktuelle Kostenschätzung für den Neubau der Grundschule Stakerseite auf mehr als 43 Mio. € beläuft. Ein ziemlicher Schock, waren im Haushalt doch nur 22 Mio. € für diese Baumaßnahme eingeplant. In den folgenden Wochen wurde ein Arbeitskreis zur Kosteneinsparung gegründet und auch die Verwaltung machte sich auf die Ursachensuche. Doch der Reihe nach…

Prolog: Ein Neubau wird beschlossen

Am 4. Juni 2020 beschloss der Betriebsausschuss die Vergabeunterlagen für den Neubau der Grundschule Stakerseite. Damit gab er den Startschuss für den Wettbewerb der Architektur- und Planungsbüros. Gemäß den Vergabeunterlagen sollte der Wettbewerb im März 2021 mit einer Jurysitzung enden und im Anschluss der Vertragsabschluss mit den Siegern des Wettbewerbs erfolgen. Die Fertigstellung des Neubaus ist für den 30. Juni 2023 vorgesehen.

1. Akt: Die Verwaltung arbeitet vor sich hin

Durch Personalengpässe, mehrfache Wechsel der Betriebsleitung der Gebäudewirtschaft Kaarst (GWK) sowie verschiedene Variantenberechnungen verzögert sich der Wettbewerb der Planungsbüros. Zwischenzeitlich haben sich u.a. die gesetzlichen Anforderungen zur Wärmedämmung (Gebäudeenergiegesetz) verändert. Die Jurysitzung findet erst am 9. März 2022 statt, also bereits ein Jahr später als geplant. Im Anschluss erfolgt die Ausschreibung der Fachplaner: Tragwerksplanung (Statik) inkl. Brandschutz sowie Technische Gebäudeausrüstung. Die Verträge werden im Zeitraum Mai bis Juni 2022 geschlossen.

2. Akt: Alles doppelt so teuer – und keiner hat es gewusst?

Dem Neubau lag eine Kostenprognose von 22 Mio. € aus dem Jahr 2020 zu Grunde. Wie sich im Rahmen der Aufarbeitung im November 2022 herausstellen wird, war bereits im Juni sowie im Oktober 2021 absehbar, dass die im Haushalt etatisierten Mittel nicht ausreichen würden. Zu diesen Zeitpunkten gaben die beiden verbliebenen Wettbewerbsteilnehmer ihre indikativen Angebote ab, die mehrere Millionen Euro über dem beschlossenen Kostenrahmen von 22 Mio. € lagen. Eine Kommunikation an den Stadtrat oder Betriebsausschuss erfolgte nicht.
Zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse im Mai 2022 gab es eine weitere Kostensteigerung. Gemäß diesen Verträgen belief sich die Kostenobergrenze nun bereits auf 32,6 Mio. €. Eine Kommunikation an den Stadtrat oder Betriebsausschuss erfolgte weiterhin nicht. Mitgeteilt wurden nur die Honorare für die Planungsleistungen.
Erst nach dem erneuten Wechsel der Betriebsleitung der GWK erfolgte im Oktober 2022 eine Information über die Kostensteigerungen. Auf Drängen der Politik begann nun die Aufarbeitung und ein Arbeitskreis mit politischen Vertretern wurde eingerichtet. In diesem Rahmen stellt die Verwaltung im November 2022 fest: „Spätestens zur Jurysitzung am 09.03.2022 und der hierauf basierenden Beschlussfassung zur Vergabe der Objektplanung hätte eine entsprechende Anpassung des Kostenrahmens bzw. einen politischen Grundsatzbeschluss über das weitere Vorgehen herbeigeführt werden müssen.“
Als Gründe für die enorme Kostensteigerung werden nun u.a. eine fehlerhafte Planung der Lüftungsanlage und die dadurch erforderliche Erhöhung der Räume aufgeführt. Weiterhin wurden bei der Statik der Fundamente und der Außenwände falsche Annahmen getroffen. Außerdem wurde die erforderliche Anzahl an Bohrungen für die Sole-Wasser-Wärmepumpe unterschätzt. Hinzu kommen Baupreissteigerungen insbesondere in Folge des Kriegs in der Ukraine.
Für uns GRÜNE ist unvorstellbar, dass die Kostensteigerungen verwaltungsintern nicht diskutiert wurden. Spätestens bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfs 2023 hätte doch auffallen müssen, dass die eingeplante Investitionssumme viel zu niedrig ist. Wurde die Bürgermeisterin nicht über den Fortschritt eines der teuersten Bauprojekte in der Geschichte der Stadt Kaarst informiert? Oder wollte sie gar nicht informiert werden – hatte der Neubau der Grundschule Stakerseite für sie keine Priorität?

3. Akt: Es liegt noch mehr im Argen

Zur Ratssitzung am 2. März 2023 stellen GRÜNE und CDU einen umfangreichen Fragenkatalog. Auf diese Nachfragen räumt Bürgermeisterin Ursula Baum ein, dass ein Verstoß gegen die Gemeindeordnung NRW vorliegt, da die Auftragsvergabe nicht im Einklang mit dem Haushaltsrecht steht. Es wurden sozusagen Aufträge für einen Neubau im Wert von über 30 Mio. € erteilt, obwohl nur 22 Mio. € zur Verfügung standen. Weiterhin stellt die Verwaltung auf unsere gezielte Nachfrage fest, dass alle von der Gebäudewirtschaft Kaarst geschlossenen Verträge über 100.000 € „schwebend unwirksam“ sind, da sie nur von der Betriebsleitung der GWK, nicht aber der Bürgermeisterin unterschrieben wurden (Vier-Augen-Prinzip). Des Weiteren wird eingeräumt, dass der Ratsbeschluss, mit den Planungsbüros nur Pauschal-Festpreis-Verträge zu schließen, ignoriert wurde. Stattdessen entschied sich die Verwaltung ohne Rücksprache mit den politischen Gremien dafür, Verträge nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zu schließen. Die Honorare richten sich dann nach den jeweiligen Baukosten: Je teurer die Schule wird, desto höher das Honorar.
Aufgrund der Rechtsverstöße schaltet sich die Kommunalaufsicht des Rhein-Kreises Neuss ein. In einem Brief an die Bürgermeisterin wird Ende März 2023 festgestellt: „Unbestritten bleibt […], dass in dieser Sache erhebliche Verfahrensfehler in den Bereichen Haushaltsrecht, Vertretungsbefugnis und Abweichung von einem politischen Beschluss innerhalb der Verwaltung aufgetreten sind. Nach § 62 GO NRW gehört es zu den Dienstpflichten einer Bürgermeisterin, für eine ordnungsgemäße Abwicklung der Verwaltungsgeschäfte zu sorgen. Sie [d.h. die Bürgermeisterin Ursula Baum] sind verantwortlich für die Leitung und Beaufsichtigung des Geschäftsgangs der gesamten Verwaltung. Dieser Dienstpflicht sind Sie offenbar nicht in dem gebotenen Maße nachgekommen.“

Epilog: Wie geht es nun weiter?

Aus unserer Sicht hat die Verwaltung bislang nicht genug unternommen, um die Vorfälle aufzuarbeiten und sicherzustellen, dass zukünftige Bauprojekte besser laufen werden. Rechtsverstöße wurden nur durch gezielte Nachfragen von GRÜNEN und CDU „entdeckt“. Bürgermeisterin Baum möchte möglichst keine Verantwortung übernehmen und verweist jegliche Fragen an die Beigeordneten und die Betriebsleitung der GWK.
Trotz der eklatanten Fehler der Verwaltung und auch der Planungsbüros ist für uns GRÜNE klar, dass es keine Alternative zum Neubau der Grundschule Stakerseite gibt. Wir brauchen die Schule schnellstmöglich, da an der Fertigstellung auch weitere Sanierungsprojekte, wie z.B. die Matthias-Claudius-Schule hängen. Der Stadtrat hat am 2. März 2023 daher die Fortführung des Projekts beschlossen. Die Fertigstellung ist nun für Herbst 2026 geplant. Die Ausführung der beiden geplanten Turnhallen wird zurückgestellt. Ohne die Turnhallen, die zu einem späteren Zeitpunkt errichtet werden sollen, betragen die Gesamtkosten nun rund 32 Mio. €.